Kant

Gedanken ohne Inhalt sind leer, Anschauungen ohne Begriffe sind blind.

Solange das, was wir sehen, in Begriffe gefasst werden kann, und solange das, was wir denken, mit Bildern aus dem Familienalbum gefüllt werden kann, spielt das Subjekt keine Rolle. Die Bilder und Begriffe sind objektiv, der Besitzer des Familienalbums (also das “Subjekt”) spielt keine Rolle.

Weil auf den Bildern auch Subjekte und darunter deren Namen zu sehen sind, sind auch die Subjekte objektiv.

Weil das Subjekt (der Albumbesitzer) keine Rolle spielt, sind die (abgebildeten) Subjekte objektiv. Ergo: das Subjekt existiert, weil es keine Rolle spielt.

Nun: sobald sich die Vernunft aber keinen Begriff mehr machen kann, wird’s haarig. Nehmen wir spukhafte Phänomene, Telekinese oder sowas. Das ist haarig, denn sobald sich die Vernunft keinen Begriff mehr machen kann, werden die Anschauungen blind. Und, sobald Anschauungen blind werden, verliert das Phänomen “Telekinese” den Status der Objektivität.

Wenn Anschauungen blind werden, werden die Phänomene subjektiv. Das Subjekt spielt plötzlich eine Rolle.

Und jetzt kommt’s: weil das Subjekt eine Rolle spielt, verliert es selbst den Status der Objektivität. Wenn der Verstand denn den logischen Schritt macht, dass das Subjekt selbst ein Phänomen ist. Davor schaudert’s einem.

Soviel zu den Anschauungen, die ohne Begriffe blind sind. Nun zu den Gedanken die leer sind, sobald sie keinen Inhalt haben.

Sobald der Verstand versucht, die Telekinese mittels Gespenstern zu erklären, führt er den Begriff “Gespenster” ein, der ohne Inhalt ist. Ein leerer Begriff ist wiederum nicht objektiv, das Subjekt spielt plötzlich eine Rolle und verliert damit seine objektive Existenz. Davor schaudert’s einem.

Helium

Die Elektronenhülle des Heliumatoms existiert nicht in unserem dreidimensionalen Raum sondern im sechsdimensionalen Konfigurationsraum. Das ist unangefochten. Schrödinger, der das entdeckt hat, rettet das Subjekt indem er darauf hinweist, dass auch dieser “höhere Raum” einen objektiven Maßstab kennt.

Dieser Maßstab ist einfach der Pythagoras. In zwei Dimensionen ist der c2 = a2 + b2, im Dreidimensionalen schreiben wir s2 = x2 + y2 + z2. Rechts vom = können wir auch mehr als zwei oder drei Buchstaben hinschreiben. Und schwuppdiwupp: der Verstand (“man”) hat eine Maßbestimmung durchgeführt, einen Maßstab auch für “höhere Räume” festgesetzt. Diesen Trick mit den vielen Buchstaben kennen wir schon länger:

Felix Klein hat seit dem Sommer 1891 in seinen Vorlesungen [die klassische Mechanik] in nichteuklidischen höheren Räumen entwickelt.
Alle geometrischen Aussagen im Konfigurationsraum [werden] besonders einfach und anschaulich, wenn man in diesem Raum … eine Maßbestimmung durchführt.
Nach dieser Festsetzung [der Maßbestimmung] darf man bekanntlich von Begriffen wie: Winkel, Senkrechtstehen u.ä. ganz denselben einfachen Gebrauch machen, wie im dreidimensionalen euklidischen Raum, man darf sich zum Denken ungestraft der euklidischen dreidimensionalen Vorstellung bedienen.

Zitat aus: Schrödinger, Quantisierung als Eigenwertproblem, zweite Mitteilung

Man darf von “Begriffen” gebrauch machen, sobald man sich einer “anschaulichen” “Vorstellung” bedient. Das Phänomen wird damit objektiv.

Bitte sich das nochmals klar machen: weil Schrödinger den “Begriffen” “Anschauung” verleiht, kann er das Subjekt aus der Physik raushalten. Er kann in seinen Gleichungen durch das Subjekt durchkürzen. Dadurch, dass durch das Subjekt durchgekürzt wird, erhält das Subjekt, wie jedes andere physikalische Phänomen, einen objektiven Status.

Nur: das Raushalten des Subjekts ist Erwin Schrödinger letztlich doch nicht ganz gelungen. Denn Max Born hat eine subjektivistische Regel in die Physik eingeführt, die noch keiner geschafft hat abzuschaffen. Es ist eine besonders zentrale Regel, denn sie betrifft den berühmten Quantensprung.

Bitte sich das klar machen: Sobald das Subjektive in die Physik Einzug hält, hört das Subjekt auf zu existieren. Oder vorsichtiger gesagt: je mehr es Einzug hält, desto mehr verschwindets.

Da schaudert’s einem. Beim schreiben dieser Zeilen hat sich mein Darm entsprechend auch mehrfach zur sukzessiven Entleerung entschlossen.

Späne des Selbst

Nach der Skala von Mohs ist Stahl härter als Holz. Denn die Säge aus Stahl ritzt den Knüppel aus Holz. Hier fällt das Subjekt tatsächlich komplett aus den Gleichungen der Elektronenhüllen raus.

Mit Born kommt’s rein, mit Mohs fällt’s raus. Ja, was nun? - Es ist eine Kränkung. Denn egal in welche Richtung der Knecht die Säge zieht und schiebt, es fallen die Späne des Selbst.

Wieder mein Lieblingsbeispiel mit den Uhren die für den jeweils Andren immer langsamer gehen. Der Stundenschlag wird als Sichtweise deklariert. Und doch ist der daheimgebliebene Zwilling am Ende älter. Mit Einstein kriecht das Ich rein in die Zeit und sieht am Ende doch alt aus.

Mit Kopernikus raus aus dem Mittelpunkt, mit Freud raus aus dem eigenen Haus, mit Born rein ins Atom und durchs Holz wieder raus. Zuerst gross bei Schach und GO, jetzt aber raus mit KI.

Immer dort wo’s rätselhaft wird, kommt das Selbst ins Spiel. In die Endrunde kommt’s dann doch nicht. Ein Katalysator der Evolution. Das Ich als gekränktes Vehikel, Späne die am Boden liegen.

Gott ging’s nicht anders.

Ich nehm jetzt ein Heissgetränk. Nach Dan Dennett: “The universe might not be real but it is the only place where you can get a good cup of coffee.”