Es ist ja allgemein bekannt, dass Goethes Faust im Teil Eins Margarethe (das Gretchen) schwängert. Der Teufel fädelt das Ganze ein (Faust: “Hör, du mußt mir die Dirne schaffen!”). Die Gretchenfrage “Nun sag’, wie hast du’s mit der Religion?” meint natürlich die Ehe, der Rest der Religionsüberzeugungen des Faust sind der Margarethe eher nicht so wichtig, würd ich (mit Sloterdijk) meinen. Er weicht in Philosohie aus, obwohl er ganz genau weiss, was Sache ist. “Nenn’ es dann wie du willst, Nenn’s Glück! Herz! Liebe! Gott! … Name ist Schall und Rauch”.

Nachdem Gretchen durch ist, steigt Faust in Teil 2 ins alte Griechenland hinab, mit dem einen Ziel das es dort nur geben kann: Helena von Troja, die schönste Frau der Antike überhaupt. Mir gefällt die Helenafrage, nachdem man ihr Kunde von einem vornehmen Herren gebracht hat: “Wie sieht er aus?”. Die Helena kennt sich eben aus mit den Typen.

Wie scharf die Griechin Helena gewesen sein muss wird klar aus einer Szene, die in der Odyssee (nicht in der Ilias!) beschrieben wird, Gesang 4 Vers so um 265 rum. Helena lebt in Troja und das hölzerne Pferd, in dem die Danaer (= griechische Recken) sitzen, ist bereits da. Im Pferd drinnen hockt auch Menelaos, ihr gehörnter Ehemann, der dann wiederum Jahre später vereint mit ihr in Sparta beim Weinderl sitzt (Übersetzung Schadewaldt): “Und dreimal umschrittest du den hohlen Schlupfwinkel, ihn betastend, und nanntest die Besten der Danaer beim Namen. … wir trachteten dir alsbald zu erwiedern. Jedoch Odysseus hinderte es und hielt uns fest, so sehr wie es begehrten.” In den Worten Salman Rushides (Languages of Truth, S. 42): “Here is Helen walking below the belly of the Trojan Horse and caressing it … [she] can transmit sexual heat through wood to the soldiers hidden inside and arouse them all.”

Nachdem Faust aus Griechenland in die Neuzeit zurückkehrt, wird seine Seele am Ende dem Teufel entrissen und in den Himmel gerettet. So die offizielle Version. Meine These ist, dass die Auffahrt in den Himmel immer noch Teil der Wette mit dem Teufel ist (“Kannst du mich mit Genuss betrügen: Das sei für mich der letzte Tag! Die Wette biet’ ich!”). Weil Faust nicht zufrieden sein kann, bis er die ultimative Frau rumgekriegt hat: die Jungfrau Maria. Hier die Verse mit der er Maria anspricht:

“Höchste Herrscherin der Welt Lass mich im blauen Ausgespannten Himmelszelt, Dein Geheimnis schauen. Billige, was des Mannes Brust Ernst und zart beweget Und mit Glut und Liebeslust Dir entgegen träget.”

Also bitte, der Faust macht die Maria ganz klar an. Die bleibt souverän, denn Gretchen ist ja auch noch da, zu ihr sagt die Gottesmutter: “Komm! hebe dich zu höhern Sphären! Wenn er dich ahnet, folgt er nach.” Faust nimmt wieder die Fährte der Margarethe auf, Maria ist dann doch eine Nummer zu gross.

Mich wundert, dass noch niemand diese Lösung des Rätsels vorgeschlagen hat, des Rätsels warum Faust nicht mit dem Teufel in die Hölle fährt. Der Himmel ist nicht Gottes Gnade, er ist Teil der Wette, Fausts Versuch zum ultimative Genuss.