Warum kriegt das Mittelmeer keine Kohle?
Weil Albert Camus falsch übersetzt wird.
Neulich les‘ ich „Vorträge und Reden 1937-1958“ aus dem Französischen erschienen im Rowohlt Verlag. Das Buch beginnt mit der Rede „Die neue Mittelmeerkultur“ des 23jährigen Camus.
Darin ist zu lesen: „Der Mittelmeerraum ist eine Einheit der Hoffnung in dem kein Platz für die Hoffnung ist.“ Der Mann kann nicht ganz dicht sein. Ich mein, wie kann irgendwer sowas ernst nehmen.
Na gut, ich geb zu, ich hab etwas verdichtet, das Zitat steht dort so nicht. In Wirklichkeit steht auf Seite 15: „Die Einheit ist keine Einheit des Glaubens mehr, sondern eine Einheit der Hoffnung.“ Und auf Seite 24 steht: „Für mediterrane Menschen bedarf es einer mediterranen Politik. Wir wollen nicht mit Märchen abgespeist werden. In der Welt der Gewalt und des Todes, in der wir leben, gibt es keinen Platz für die Hoffnung.“ Es war 1937 und Mussolini in Äthiopien kein Kindermädchen. Hoffnung Fehlanzeige, soweit verständlich. Aber warum dann „Einheit der Hoffnung“? War Camus ein bisschen gaga weil gerade etwas heiss in Algerien?
Als der deutsche Bundeskanzler die Rede von Camus neulich gelesen hat, konnte er nur denken: Hmm, die da unten sehen sich als Einheit der Hoffnung und sagen dann: „für Hoffnung ist kein Platz, Eure Grimm-Märchen könnt ihr Krautfresser euch woanders reinschieben.“ Und dann legte er Camus weg und wendete sich dem Problem der Wahlen in Niedersachen oder sowas zu. „Den Blossfüssigen ist nicht zu helfen, da ruf ich die EZB sicher nicht an damit die da was tun da unten“.
Gerade als mein Möglichkeitssinn die blühenden Landschaften in Sizilien ad Acta legen wollte, dacht ich mir: Camus kann doch nicht soooo blöd sein. Hab mir den Originaltext geladen (vollständig in der Amazon Vorschau enthalten).
Und siehe da: der Rowohlt Verlag ist Schuld an den schiefen Finanzlagen von Italien bis Griechenland. Denn, Camus ist ganz klar verständlich: „L’unite est dans l’espérance“, die Einheit ist in der lebenspraktischen Erwartungshoffnung. Und: „Il n’y a pas de place pour l’espoir“, es ist kein Platz für christliche Erlösungshoffnung.
Da haben wirs. Man darf die beiden verwandten Wörter „espérance“ und „espoir“ nicht einfach beide mit „Hoffnung“ übersetzen. Lieber Rowohlt Verlag. Ist wie Weltuntergang: darf nicht passieren, kann aber passieren. Und darum kriegt das Mittelmeer jetzt keine Kohle.