Der Film kommt morgen raus und es ist der Film, den ich zusammen mit meinen Eltern anschauen möchte.

Es ist nicht Nostalgie. Denn auch “Traumschiff” Enterprise und Sissi (mit dem “wilden Kaiser”) kommen vom Kult her. Beide funktionieren aber nicht als Generationenkinoabend.

Ich kann nicht sagen, was es ist. Ich vermute es ist die Figur des Winnetou. Natürlich nicht ohne Sidekick Blutbildbruder. Die Bücher sind die Basis, aber entscheidend war die Leinwandbannung.

Karl May war Actionkino. Winnetou ritt auf den Berg, grosse Leinwand, volle Musik. Das war was. Von der Version der einziehenden Fernseher waren die Kinogeher dann nicht mehr recht begeistert. Winnetou war ein alter Hut an der 70er/80er Schwelle. Aber Old Shatterhand trug nie einen Hut (der kam erst mit Dr. Jones retour).

Old Scharlih rasierte den Bart gleich zu Beginn der Fernsehsendung ab. Wie alle TV-Kinder war ich begeistert und später schockiert von den Selfies des Charly May mit Riesenhut und Megaschnauzer. Dass man sich den hutigen Bildersturm getraut hat war ein Geniestreich gegenüber dem ursprünglichen Stilloriginal, von mir zum Glück erst im Nachhinein gesehen.

Bei Alledem. Ich kann nicht sagen, was es ist. Ich vermute es ist doch die Figur des Winnetou die sich irgendwie über Rhein-und-Donau eingegraben hat (dort wo die Römer nicht oder nicht recht Fuss fassen konnten). Vielleicht war dort noch und wieder Platz und grad erhöhter Bedarf für gute Helden. Und für neue heidnische Götter die durch die Bücher (jetzt doch!) schon lange da waren. Dargestellt von einem Delon-Double Franzosen und einem Proto-Pitt Ami. Es hatte was Internationales, Vereinendes.

Wenn ich diese Filme heute sehe … komme ich mir jetzt vor wie die Stimme von Tom Sellek in Wunderbare Jahre.

An der Beziehung Winnetou-Scharlih lässt sich der Wahrheitsbegriff Hegels verstehen. Heutzutage, und das ist und bleibt gut so, ist ein geschriebener Satz genau dann wahr, wenn er den Fakten entspricht (Kriterien dafür stehen auf einem anderen Blatt). Bei Hegel gibt’s den “wahren Freund”, ein ganz anderer Hut. Man vergleiche Winnetou-Scharlih mit der Beziehung Captain Kirk zu Mr Spock und weiss sofort wo das wirklich Wahre liegt. Ein wahrer Vulkanier/Apache ist man im Gencode/Herzen.

Das ist auch der Schluss des Kanu des Manitu. So habe ich die Vorabkritiken gelesen. Das ist auch die Antwort auf kulturelle Aneignung und Humorgrenzen. Es muss aus gutem Herzen kommen. Kriterien dafür stehen auf einem anderen Blatt.

Ich sagte vorher international, vereinend. Dass der Winnetou grad im Film auch schon was Feminines hatte, konnte jeder sehen. Dass er das Queere in sich trägt, konnte auch jeder zumindest reinlesen. Er, der Vorreiter des kommunikativen Handelns, der großmütig (zu Gunsten von Terence Hill) auf die Liebe der Frauen verzichtet und seine multiplen Begehren in den Dienst des Gelingens sublimiert. Bully Herbig zeigt seine Lesart explizit. Er lässt Winnetou zu zwei Personen werden.

Und er lässt sie sich veräppeln. Er lässt sie reinfallen.

Freunde, weil man den Drang verspürt gemeinsam mit den Eltern in diesen Film zu gehen, hat man ein zwar nur singuläres aber doch Kriterium für die Wahrheit gefunden. Dieser so wichtige Punkt wurde bisher von keinem Feuilletonisten getroffen (es sind eben fürwahr keine Crônistas dabei). Nicht obwohl, sondern grad weil die Gags alt und einfach neu aufgekocht sind, nämlich zur Veräppelung des Publikums. Grad weil wir es sind, die an der Kinokasse in den Käfig voller Narren einfallen. Das kann niemanden treffen. Das kann nicht der Punkt sein, das ist nämlich der Clou.

PS: Um den Bogen zum Mainstream zu schliessen: ein Film, den man zusammen mit den Eltern besuchen kann, ist auch ein Film den Menschen aus allen Generationen getrennt ansehen werden. Damit ist der Film Kommerz. Das ändert per se nix an der im Film eventuell auffindbaren Wahrheit über eine eventuelle Vulkanier vs. Apache Wahrheit.

PPS: Manche Paartherapeuten raten ihren Schützlingen: “Gehen sie in einen beliebigen Hollywoodfilm, gar kein spezielles Thema. Und dann bereden sie was jeder gesehen hat”.